Punkt 8.30 Uhr schließt sich die Türe zum Lehrsaal Zwei im Verwaltungsgebäude des Bayerischen Roten Kreuzes in Rosenheim. Die Fortbildung des Rettungsdienstpersonals beginnt. Heike Widauer (Dozentin im Rettungsdienst und in der Erwachsenenbildung) begrüßt die teilnehmenden Mitarbeiter und stellt die Themen des heutigen Tages vor. Bis zur Mittagspause wird es in der Theorieeinheit um Patienten mit einem Tracheostoma, einem im Krankenhaus künstlich angelegten Atemweg mittels Luftröhrenschnitt gehen, und damit um die Erklärung jener Punkte, die für die Rettungsdienstler in der Notfallversorgung besonders zu beachten sind.
Am Nachmittag folgen praktische Übungen, in denen sich die Mitarbeiter des Bayerischen Roten Kreuzes mit der Handhabung verschiedener Beatmungsmöglichkeiten, Vorgehensweisen in Notfallsituationen sowie den besonderen Hygienemaßnahmen im Umgang mit dieser speziellen Patientengruppe vertraut machen können. „Hierbei geht es nicht darum, innerhalb kurzer Zeit fachpflegerische Kenntnisse zu erlagen,“ sagt Widauer, „sondern darum, Berührungsängste zu verlieren und ein gewisses Maß an Handlungssicherheit für den Ernstfall zu gewinnen.“ Denn auch für langjährige, sehr routinierte Mitarbeiter stellt die Behandlung von Patienten mit chirurgisch eingebrachten Atemwegen keinesfalls eine Alltagssituation dar. So füllt sich der Nachmittag im Lehrsaal mit neugierigem Ausprobieren: An einer Lehrstation üben die Helfer vorsichtig an einer Modellpuppe das Wechseln der die in die Luftröhre eingebrachten Trachealkanülen, durch die der Patient anstatt Mund oder Nase atmet; an einer anderen Station entfernen sie mittels Absaugpumpen grobe Verunreinigungen aus den Kanülen, um den Patienten so das Atmen wieder zu erleichtern.
In Kleingruppen von maximal 15 Helfern, die alle an verschiedenen Rettungswachen im Landkreis tätig sind, finden die sogenannten „Hauptamtlichenfortbildungen“, zu denen auch das Ehrenamt eingeladen ist, fünf bis sechs Mal jährlich en bloc statt. Grundlage der Unterrichte sind geplante Themenmodule, die in Gremien aus Vertretern der öffentlich-rechtlichen und privaten Hilfsorganisationen sowie der Krankenkassen festgelegt werden. Für 2019 wurden neben der Einheit „Tracheostomapatient“ noch das Themengebiet der „Tracerdiagnosen“ (standardisierte Behandlungsvorgaben bestimmter Erkrankungen) und des „MAN“ (Katastrophenlage mit vielen Verletzen), sowie ein Vortrag des Ärztlichen Leiter Rettungsdienst für den Rettungsdienstbereich (ÄLRD) bestimmt. Denn innerhalb des Kreises aus Leistungserbringern und Krankenkassen wird auch entschieden, wer die veranschlagten Inhalte für die Fortbildungen ausarbeitet und vermittelt. So kommt es also, dass Dr. Michael Städtler, ÄLRD für den Rettungsdienstbereich Rosenheim, erneut in seiner Funktion als Dozent aktiv wird, nachdem er bereits im vergangenen Jahr die Notfallsanitäter in der Generaldelegation der ÄLRD Bayern schulte. „Das System der Fort- und Weiterbildung versucht, sich stetig der aktuellen Situation anzupassen“, sagt Jürgen Wimmer (Dozent im Rettungsdienst und in der Erwachsenenbildung). Er und Widauer sind im Team die leitenden Ausbilder des BRK Kreisverbands Rosenheim. Durch die Einführung des Berufsbildes des Notfallsanitäters im Jahr 2014, befindet sich auch das Konzept der Ausbildung im Umschwung und sieht sich einer Neustrukturierung gegenüber. Denn auch das Simulationstraining, welches aus anderen Berufsgruppen mit erhöhtem Sicherheitsdenken (z.B. Piloten) bekannt ist, soll langfristig eine tragende Komponente für Rettungsdienstfortbildungen darstellen. Ob das Training in entsprechenden Simulationszentren im Bereich Rosenheim schon dieses Jahr möglich sein wird, ist noch unklar. Da die Fortbildungen der Mitarbeiter von den Krankenkassen refinanziert werden, stehen die Hilfsorganisationen noch mit ihren Trägern in Verhandlungen. Auch werde der entsprechende Bedarf an Themenblöcken und Neuerungen noch festgestellt, so Wimmer, da natürlich auch die Teilnehmer Vorschläge für die nächsten Unterrichte einbringen dürfen, die oftmals auf ihrer Berufserfahrung und der täglichen Arbeit basieren. Dies geschieht über Feedbackbögen, die alle Helfer am Ende des Nachmittags ausgefüllt bei den Dozenten abgeben, bevor sie den Lehrsaal in den wohlverdienten Feierabend verlassen.
Foto: Zwei Rettungsdienstmitarbeiter bei einer praktischen Übung